„Für die Frau von Welt und den Herrn mit Knete.“ Fällt mir als erstes ein, bei dieser Tapete. Ein Hinkucker und Hinfasser, braunes Ornament, samtig strukturiert.
Das Le Lion – Bar de Paris ist die Antithese* zum Café Paris gegenüber, einem sehr lebendig-lauten Bistro.
Hier hingegen ist alles gedämpft.
Bleib draußen, Welt.
Genuin feminin bin ich nach den Beschreibungen meines eloquenten Vorschreibers Badbury davon ausgegangen, dass es sich beim Le Lion um so eine Art Herrenclub handelt.
Mitnichten.
An der Bar: Zwei Frauen unterhalten sich, eine weitere allein, im Gespräch mit dem aufmerksamen Bartender. Andere Besucher der Bar an diesem Abend: Verschiedene Paare von Anfang Dreißig bis Mitte Vierzig, eine Vierergruppe aus Skandinavien, die perfekt in fließendem Englisch bedient wird.
Danach vier junge Herren, die aussehen, als seien sie Franz Ferdinand. Sind sie nicht, bilden aber einen interessanten Kontrapunkt zu einer kleinen Gruppe eher älterer Kulturmenschen in einer weiteren Ecke des fensterlosen Raumes.
Somnambule Soubretten sehnen sich unter Umständen nach einem Separée, ein schwerer brauner Vorhang ermöglicht es, einen kleinen Teil der Bar in ganz besonderen Fällen vor den Blicken anderer Gäste diskret abzuschirmen.
Der Hinweis in der sehr übersichtlichen Karte, dass die Herren hinter der Bar von Herr von Eden eingekleidet werden, spricht auch schon sehr für sich. Genauso, wie die Bitte, von der Nutzung von Laptops, Mobilgeräten und ähnlichen Gadgets Abstand zu nehmen. Für die Raucher befindet sich draußen vor der Tür in einer edel holzverkleideten Wandnische ein todschick ausgeleuchteter gläserner Aschenbecher.
Zum Auftakt wird mir der Hauscocktail präsentiert, geradezu rituell serviert, der dekorative Limetwist am Rand des Glases gerieben: Lillet Blanc mit London Dry Gin und etwas Peychaud’s Bitter.
Nicht nur zu Ostern eine Empfehlung wert:
Der Eierbecher des Löwen, gestatten:
Der Hausdrink „Le Coquetiez du Lion“
Foto: Le Lion/Christoph Edelhoff
Die Limette gibt dem ganzen eine Leichtigkeit, die mir das Vertrauen schenkt, mich bei der Wahl des nächsten Drinks gleich vom Inhaber beraten zu lassen. Jörg Meyer ist ein Gastgeber, wie Frau von Welt sich ihn wünschen mag: Präsent, ohne aufdringlich zu sein, versiert, einfühlsam. Seiner Könnerschaft gewiss, ohne alles selbst machen zu müssen, unterhaltsam, interessiert und interessant.
Seine Empfehlung trifft ins Schwarze.
Das bereits zur Begrüßung jedem Gast Eiswasser gereicht wird, das den ganzen Abend über nachgefüllt wird, ist eine weitere sehr aufmerksame Geste, die den Geist des Hauses zum Ausdruck bringt. Die Auswahl probierter Canapées war von erster Güte, Sandwiches wären ebenso wie eine Crème Brûlée zu ordern möglich gewesen.
Eine dunkle Bar für helle Köpfe ist in der ehemaligen Schalterhalle einer Bank entstanden. Die angenehmen Brauntöne werden konsequenter als in jedem Allen-Film konjugiert und durchgehalten. Bis hinab zu den gewürfelten Bodenfliesen im Kellergeschoss. Wer sich den Weg dorthin nicht gönnt, verpasst ein interessantes Detail dieser Bar.
Von ähnlich diskret geheimnisvollem Reiz wie die Box in Buñuels Belle de Jour – Schließfächer, für spezielle Freunde des Hauses, mit Namen versehen, jedenfalls demnächst.
Wer sich weiter informieren möchte – Die Bar 1.0 im Web 2.0:
Das sehr unterhaltsame und aufschlussreiche Barbaublog, in dem das „Making of“ der Bar crossmedial aufgezeichnet wurde.
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*Ist das Café Paris die laute Oberfläche, so ist die Bar die ruhige Tiefe, ist das Café vibrierend unverbindlich, ist die Bar intim. Wie der Unterschied vom ersten Date zum zweiten. Im Le Lion sollten alle Beteiligten schon relativ klar darin sein, was sie voneinander wollen, andernfalls kann er sicherlich zu einem Ort gefährlicher Liaisons werden.
Das ist mein Beitrag vom 23. März 2008 zu Le Lion – Bar de Paris – und die Kommentare auf Qype.
Nachtrag am 14. Juli 2008:
Herr Paulsen berichtet im NutriCulinary, dass das “Le Lion” auf Platz 5 der zwanzig besten Bars weltweit gewählt wurde.
Somnambule Soubretten – herrlich!
Sehr schön beschrieben. Atmosphärisch dicht. Meine Lieblingsbar.
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Sehr aufregend, sehr gefährlich, sehr geheimnisvoll – so muß eine gute Bar sein !!!
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Sehr schöner Bericht! Werd ich mir mal ansehen!